19. Novem­ber 2019

Vom Geilwuchs der Tomaten

Oder warum Wachstum nicht ohne Stabilität funktioniert

Für unser inneres Gleichgewicht ist es wichtig, dass sich Phasen von Wandel, Wachstum und Freiheit mit solchen Phasen abwechseln, die Sicherheit, Planbarkeit und Orientierung bieten…

Text & Bild | Nadi­ne Tho­mas

Ges­tern habe ich mich mit dem The­ma „Geil­wuchs“ beschäf­tigt. Ken­nen Sie viel­leicht von Ihren Toma­ten­pflan­zen, oder? Es ist das Phä­no­men, wenn die Pflan­ze plötz­lich extrem in die Höhe schießt.

Die­ses deut­lich beschleu­nig­te Län­gen­wachs­tum pas­siert, weil die Pflan­ze ver­sucht, eine Licht­quel­le zu erschlie­ßen, sagt zumin­dest Wiki­pe­dia. In die­ser Zeit des schnel­len Wachs­tums schafft es die Pflan­ze jedoch nicht, den Trieb durch Ein­la­ge­rung und Anbau von Mate­ria­li­en zu ver­stär­ken (wie es bei einem lang­sa­me­ren Wachs­tum der Fall wäre). In der Fol­ge pas­siert es dann lei­der häu­fig, dass der Trieb „für sei­ne Auf­ga­be nicht sta­bil genug ist und von Wind, Schwer­kraft oder vor­bei­strei­fen­den Tie­ren geknickt wird“, so bei Wiki­pe­dia wei­ter.

Für uns Men­schen gilt das glei­che Prin­zip. Auch für unser inne­res Gleich­ge­wicht ist es wich­tig, dass sich Pha­sen von Wachs­tum, Wan­del und Frei­heit mit sol­chen Pha­sen abwech­seln, die Sicher­heit, Plan­bar­keit und Ori­en­tie­rung bie­ten.

Im Opti­mal­fall pen­deln Sie zwi­schen bei­den Bedürf­nis­sen. Zu viel von dem einen (um in der Meta­pher zu blei­ben: Geil­wuchs) oder dem ande­ren (Ver­hol­zung) erscheint auf Dau­er nicht gesund. Auch nach dem sys­te­mi­schen Grund­ver­ständ­nis müs­sen leben­di­ge Sys­te­me Dyna­mik und Sta­bi­li­tät ver­ei­nen – sonst gerät ihr Gleich­ge­wicht aus den Fugen.

Was in der Welt der Bota­nik bei Geil­wuchs oder Ver­hol­zung Hilf­rei­ches zu tun ist, weiß ich nicht. Da müss­ten Sie den/die Botaniker*in Ihres Ver­trau­ens fra­gen. Ich nut­ze beim Geil­wuchs der Toma­ten exter­ne Res­sour­cen (Stöck­chen, Kor­del), um für die not­wen­di­ge Struk­tur und Sta­bi­li­tät zu sor­gen.

Wesent­lich sinn­vol­ler: ein­fach nicht aus dem Gleich­ge­wicht kom­men. Wirk­lich!

Aber wie geht das?

Das Geheim­nis liegt dar­in, unse­re Bedürf­nis­se nicht aus dem Blick zu ver­lie­ren. Das bedeu­tet, regel­mä­ßig inne­zu­hal­ten und sich Zeit ein­zu­räu­men, um über s‑i-c‑h selbst im Hier und Jetzt nach­zu­den­ken: Wie geht es mir gera­de? Wo zwi­schen den bei­den Polen Wachs­tum und Sta­bi­li­tät befin­de ich mich? Wel­ches ist das Bedürf­nis, das gestillt wer­den will?

Durch das regel­mä­ßi­ge „in sich rein­hö­ren“ erhält man ein Gefühl für sich selbst und die eige­nen Bedürf­nis­se. Das lässt sich trai­nie­ren. Ent­de­cken Sie dabei Hand­lungs­be­darf, kön­nen Sie recht­zei­tig mit geziel­ten Inter­ven­tio­nen gegen­steu­ern und nach­jus­tie­ren. Und manch­mal sind es bereits schon die klei­nen Anpas­sun­gen, die einen wie­der ins Gleich­ge­wicht brin­gen. Wich­tig dabei ist: zu wis­sen, was einem das Gefühl von Wachs­tum und Sicher­heit gibt. Das ist von Mensch zu Mensch sehr ver­schie­den.

Und nun zu der wich­ti­gen Fra­ge: Wie geht es Ihnen gera­de? Benö­ti­gen Sie aktu­ell einen Zustand des Wachs­tums oder der Sicher­heit, um Ihre inne­re Balan­ce zu hal­ten? Und was kön­nen Sie tun, um das not­wen­di­ge Gefühl her­zu­stel­len?

 

Quel­le: Wiki­pe­dia-Ein­trag