8. August 2018
Selbstsabotage überlisten
Wie wir es vermeiden, immer wieder in die Komfortzone zurückzufallen
Kennen Sie das: Sie stecken sich neue Ziele, kommen aber nicht wirklich voran? Sie möchten in Ihrem Arbeitsleben etwas verändern, bleiben jedoch im Status Quo gefangen? Immer wieder kommt etwas dazwischen, was Sie ausbremst?
Wir alle haben Träume und Ziele. Doch fällt uns der Schritt vom Wollen ins Handeln häufig schwer. Oder, am Ziel angekommen, fallen wir schnell in unsere alten Muster zurück, obwohl wir uns mit dem frischen Erfolgserlebnis sehr wohlfühlen. Und mit Sicherheit haben Sie eine stimmige Story parat, die erklärt, warum Sie den großen Sprung nicht schaffen können. Denn: immer wieder passiert etwas, das Sie daran hindert.
Da ist, als Beispiel, die Doktorarbeit, die geschrieben werden will. Sie haben bereits angefangen. Der Theorieteil steht, die Studien sind ausgewertet, der erste Erfolg entsprechend gefeiert. Doch seitdem geschehen lauter Dinge, vermeidliche Zufälle, die Sie vom eingeschlagenen Weg abbringen.
Als Psychologin interessiert mich an dieser Stelle die Frage nach dem „Warum?“. Was verhindert, wenn Sie in einen neuen, für sich bedeutsamen Bereich vorstoßen, den Erfolg oder das positive Gefühl auszukosten? Warum fallen Sie stattdessen in Ihre Komfortzone zurück? Warum gelingt es nicht, dauerhaft daraus auszubrechen und das nächste „Level“ zu erreichen?
Eine mögliche Erklärung
Eine mögliche Antwort liefert der Psychologe Gay Hendricks (1). Seine Theorie erklärt, dass dieses „etwas“, was uns ausbremst, häufig wir selbst sind. Dass wir uns in Situationen, in denen wir erfolgreich sind, selbst im Wege stehen! Hendricks beschreibt dazu einen interessanten Mechanismus, eine unbewusste Form der Selbstsabotage:
„Jeder von uns verfügt über ein inneres Thermostat, das auf eine bestimmte Obergrenze eingestellt ist. Diese Einstellung ist ausschlaggebend dafür, in welchem Maß wir es zulassen, uns an Liebe, Erfolg und Kreativität zu erfreuen. Wird diese innere Thermostateinstellung überschritten, hat das häufig zur Folge, dass wir uns durch entsprechende Handlungen selbst sabotieren – und daraufhin wieder in jenem altbekannten, uns bestens vertrauten Bereich landen, in dem wir uns sicher fühlen.“
Diese Selbstsabotage funktioniert im Sinne eines Selbstregulationsprinzips: Sind wir glücklich und erfolgreich – also, außerhalb unseres „Oberlimits“ – regulieren wir diesen Zustand nach kurzer Zeit auf den „normalen Temperaturbereich“ herunter, mit dem wir vertraut sind. Dies passiert automatisch, in dem wir unbewusst Dinge tun, die uns der ursprünglichen Thermostateinstellung nähern. Und damit sabotieren wir uns ständig selbst! Hendricks nennt das Phänomen das „Oberlimit-Problem“.
Aber warum „limitieren“ wir uns derart? Irgendetwas in uns scheint uns zu verbieten, zu wachsen und in „der neuen Zone“ anzukommen.
Nach Hendricks veranlassen uns
„die Angst und die falschen Überzeugungen dazu, unser Leben unter[halb] dem Einfluss von beschränkenden Glaubenssätzen zu leben.“
Auch die systemische Praxis kennt dieses Phänomen. Dort spricht man in diesem Zusammenhang von „inneren Schwellenhütern“. Sie stehen als „Wächter der Ordnung“ für die Wahrung der gewohnten Verhältnisse ein und verhindern Wachstum und die persönliche Entfaltung.
Insbesondere dann also, wenn wir unsere Komfortzone verlassen, hindern uns negative Denkmuster und Glaubenssätze daran „Neuland“ zu betreten. Immer dann stoßen wir auf „eine verborgene Barriere in Form einer tief in uns verwurzelten Überzeugung“. Und mit Sicherheit finden wir in unserem Umfeld Menschen, die uns helfen, diese negativen Glaubenssätze zu nähren und zu bereichern.
Was Sie tun können
Besitzen Sie auch solche Schwellenhüter? Ein kleines Männlein, beispielsweise, das auf Ihren Schulter sitzt und Ihnen hartnäckig einredet: „Du packst das nicht“ oder „Du darfst das nicht“? Dann gilt es Ihre negativen Glaubenssätze zu finden! Lassen Sie sich nicht begrenzen, ausbremsen und kleinhalten. Befreie Sie sich von Ihren alten Mustern und schreiben Sie Ihre Glaubenssätze um! Überschreiben Sie sie. Und präge Sie sich die positiven, neuen Glaubenssätze durch Wiederholung gut ein. Achtung, merke: durch Wiederholung!
Die Doktorandin, die gerade an ihrer Doktorarbeit sitzt, sollte sich sagen: „ICH KANN DAS NICHT!“. Immer und immer wieder. „Ich kann das!“ Und, wenn sie das nächste Kapitel, den nächsten Erfolg feiert, sollte sie ihn aushalten und genießen – mit dem neuen inneren Glaubenssatz: „ICH DARF DAS NICHT!“. Sie sollte es üben, üben, üben. „Ich darf das!“ So oft üben, bis die neuen Glaubenssätze sitzen.
Dass dieses „Umprogrammieren“ funktionieren kann, berichten auch erfolgreiche Sportler. Jan Frodeno, Olympiasieger und zweimaliger Ironman-Weltmeister, ging seine negativen Glaubenssätze mit Hilfe eines Kassentapes an:
„Die Texte [positive Glaubenssätze] bildeten oft widersprüchliche Untertitel zu meinem Kopffilm. Denn während ich in Gedanken mal wieder ein Rennen versemmelte, sprach das Tape tapfer dagegen an. Der Text war weder Hexenwerk noch literarisch wertvoll, eher in die Richtung: Ich kann gewinnen. Ich will gewinnen. Ich schaffe das. Nicht sehr originell, zugegeben. Und anfangs scheinbar auch nicht sehr wirkungsvoll. Ich habe dieses Tape gehört, immer und immer wieder. Aber nichts hat sich getan – bis zu dieser Nacht 2008 in Jeju, bis zum Wunder in Südkorea [der Weichenstellung für die späteren Erfolge].“ (2)
Ich weiß, das alles klingt seltsam. Auch funktioniert diese Methode nicht von heute auf morgen. Der Prozess dauert, da die negativen Glaubenssätze häufig sehr tief in uns eingebrannt sind.
Sie sind neugierig, ob diese Methode Ihnen hilft? Probieren Sie es aus! Mir hat dieser Ansatz geholfen meine Selbstsabotage zu erkennen und mein negatives Gedankenmuster stark und nachhaltig zu verändern.
Literaturverweis:
(1) Hendricks, G. (2010). Lebe dein Leben, bevor es andere für dich tun: Mehr wagen und über sich selbst hinauswachsen. München: Droemer Knaur.
(Die Theorie von Hendricks ist nach meiner Information wissenschaftlich nicht geprüft, aber wir kennen in der Psychologie zahlreiche automatische Selbstregulationsmechanismen, die auf ähnliche Weise funktionieren, in dem sie uns immer wieder in einen bestimmten, wie auch immer gearteten „Ausgangzustand“ versetzen und damit unser inneres System im Gleichgewicht halten.)
(2) Schumacher, H. (2017). Vom Weichei zum besten Triathleten der Welt. Stern online. Zugriff am 07.08.2018 unter https://www.stern.de/sport/sportwelt/jan-frodeno–vom-weichei-zum-besten-triathleten-der-welt-7274590.html