1. April 2020

Fünf Jahre Beratungsbüro Thomas, fünf Jahre Selbst-Zuständig-Sein

Zehn persönliche Lektionen fürs erfolgreich Gründen

In dem Moment, ab dem man die Verantwortung über das eigene Leben übernimmt, wird es ein ganzes Stück härter. Wie navigiert es sich trotzdem gut durch die Gründungszeit und die Anfänge der Selbstständigkeit?

Text & Bild | Nadi­ne Tho­mas

Anfang des Jah­res war hier der ers­te run­de Geburts­tag: Fünf Jah­re Bera­tungs­bü­ro Tho­mas. Und auch heu­te ist für mich ein beson­de­rer Tag, denn vor zwei Jah­ren am 1. April, trau­te ich mich den noch grö­ße­ren Schritt. Seit­dem bin ich voll und ganz für mich selbst zustän­dig. Eigent­lich soll­te der Moment mit einem Event voll span­nen­der Impul­se und Vor­trä­ge gefei­ert wer­den. Doch dar­aus wird auf­grund der aktu­el­len Situa­ti­on rund um das Coro­na-Virus nichts. Selbst das Ansto­ßen blieb heu­te aus – es gilt die Kon­takt­sper­re.

Um den Geburts­tag den­noch nicht ein­fach „vor­bei­zie­hen“ zu las­sen, nutz­te ich den heu­ti­gen Nach­mit­tag für eine Rei­se zurück an die Anfän­ge, in die Grün­dungs­zeit. Wie lie­ße sich die­se Pha­se gut beschrei­ben? Irgend­wann ein­mal hat­te ich ein Zitat von Ste­ve Jobs gele­sen:

„In dem Moment, in dem du Ver­ant­wor­tung über dein eige­nes Leben und dei­ne Träu­me über­nimmst, wird das Leben ein gan­zes Stück här­ter.“

Und genau so sah es bei mir aus. Denn in den meis­ten Fäl­len ist der Start einer Unter­neh­mung mit vie­len Unsi­cher­hei­ten und Unbe­stän­dig­kei­ten ver­bun­den und zudem ziem­lich kom­plex. Auch tun sich mit dem Selbst-Zustän­dig-Sein plötz­lich unzäh­li­ge Hand­lungs­spiel­räu­me auf, die sehr hart­nä­ckig und unnach­gie­big eine ordent­li­che Por­ti­on Ent­schei­dungs­freu­de for­dern.

Was waren an die­ser Stel­le mei­ne per­sön­li­chen Schrit­te, Gedan­ken und Schlüs­sel­prin­zi­pi­en? Wor­an habe ich mich ori­en­tiert? Wel­che Lek­tio­nen durf­te ich ler­nen? Zehn mei­ner per­sön­li­chen Über­le­gun­gen und Prin­zi­pi­en habe ich auf­ge­schrie­ben. Sie sind mitt­ler­wei­le ordent­lich erprobt und beglei­ten mich bis heu­te. Am Ende ist es ein Brief an mein frü­he­res Ich gewor­den. Aber viel­leicht nützt die­ser inne­re Dia­log dem einen oder der ande­ren als Impuls bei der eige­nen Grün­dung. Viel Spaß beim Lesen, Über­le­gen und Aus­pro­bie­ren!

Los geht’s mit der wich­tigs­ten Lek­ti­on, alle ande­ren Lek­tio­nen sind in ihrem Wert gleich­be­deu­tend:

Suche Sicher­heit im Innen. Grün­dun­gen gehen mit sehr viel Wir­bel, Unsi­cher­heit und Lern­erfah­run­gen ein­her, daher suche dir in dei­nem Unter­neh­men bereits früh „Struk­tu­ren“, die dir Sicher­heit und Ver­trau­en schen­ken. Suche sie im Innen, nicht im Außen! Fäl­le wich­ti­ge Ent­schei­dun­gen nicht jeden Tag neu. Erar­bei­te dir Rou­ti­nen, Check­lis­ten. Nut­ze eine Pro­jekt­ma­nage­m­ent­soft­ware, um Pro­zes­se abzu­bil­den und um kei­ne Arbeits­schrit­te aus den Augen zu ver­lie­ren.

Um einen kla­ren Kopf und die Lust an der Arbeit oben zu hal­ten, schaf­fe in dei­nem Unter­neh­men Bedin­gun­gen, die dir zumin­dest inner­lich einen Ori­en­tie­rungs­rah­men bie­ten, die dir eine Ent­schei­dungs­grund­la­ge lie­fern und eine klu­ge Selbst­steue­rung ermög­li­chen. Es gilt sich gut zu sor­tie­ren, denn je grö­ßer die Unter­neh­mung wird, um so unter­schied­lichs­te The­men, reich­hal­ti­ge­re Work­flows und Zusam­men­spie­le meh­re­rer Per­so­nen kom­men hin­zu.

Falls du finan­zi­ell gut auf­ge­stellt bist, baue um dich her­um zur Unter­stüt­zung ein kom­pe­ten­tes, ver­läss­li­ches Team oder Netz­werk auf. Inves­tie­re in Exper­tin­nen und Exper­ten der Unter­neh­mens­be­rei­che, von denen du noch kei­ne Ahnung hast. Das kann, bei­spiels­wei­se, der Steu­er­be­ra­ter sein. Wenn du ihn als Dienst­leis­ter und wich­ti­ge Infor­ma­ti­ons­quel­le in dei­ne Unter­neh­mung ein­bin­dest, redu­ziert das eben­falls dei­ne anfäng­li­che Unsi­cher­heit.

Rol­len­klar­heit. Ver­ste­he dich nicht aus­schließ­lich als Fach­kraft. Bei der Grün­dung über­nimmst du unter­schied­li­che Rol­len in dei­nem Unter­neh­men. Selbst­ver­ständ­lich kau­fen dich dei­ne Kun­din­nen und Kun­den als Psy­cho­lo­gin ein. Aber, Ach­tung: Ver­ste­he dich auch als Unter­neh­me­rin! Zumin­dest dann, wenn dei­ne Unter­neh­mung wach­sen und gesund blei­ben soll. Denn durch­aus geht es auch in einem Ein­zel­un­ter­neh­men dar­um, schöp­fe­risch wirk­sam zu sein, pas­sen­de Dienst­leis­tun­gen zu ent­wi­ckeln, Pro­ble­me erfolg­reich zu lösen, Rechts­ge­schäf­te abzu­schlie­ßen und damit Ein­nah­men zu erwirt­schaf­ten. Ein­nah­men, um in das Wachs­tum dei­nes Unter­neh­mens zu inves­tie­ren und auch dei­nen eige­nen Lebens­un­ter­halt sicher­zu­stel­len. Und selbst­ver­ständ­lich gibt es auch in Ein­zel­un­ter­neh­men Risi­ko und Wag­nis­ka­pi­tal. Es wäre daher fatal, dich nur als „Fach­kraft“ zu begrei­fen.

Da die Rol­le der Unter­neh­me­rin neu für dich ist, suche nach „Role­mo­dels“ von denen du ler­nen kannst. Und tren­ne immer zwi­schen dir und dei­nem Unter­neh­men. Das hat vie­le Vor­tei­le, gerätst du bei­spiels­wei­se in eine per­sön­li­che Kri­se, ist nicht unmit­tel­bar das Unter­neh­men mit­be­trof­fen.

Rol­len­viel­falt. Wäh­rend gro­ße Fir­men für die unter­schied­lichs­ten Unter­neh­mens­be­rei­che eige­ne Abtei­lun­gen haben, soll­test du am Anfang dei­ner Unter­neh­mung alle die­se Berei­che selbst im Blick haben und dich „breit“ auf­stel­len. Den­ke und han­de­le in dei­ner täg­li­chen Arbeit in den unter­schied­li­chen Unter­neh­mens­be­rei­chen, wie For­schung und Ent­wick­lung, Beschaf­fung und Infor­ma­ti­ons­ge­win­nung, Pro­duk­ti­on, Manage­ment, Mar­ke­ting und Ver­trieb und so wei­ter. Bei gro­ßen Her­aus­for­de­run­gen in ein­zel­nen Berei­chen, kau­fe dir Exper­tin­nen und Exper­ten zur Unter­stüt­zung ein.

Wert­schöp­fung. Neben allen unter­schied­li­chen Rol­len und Auf­ga­ben, die du in dei­nem Unter­neh­men anfangs selbst ein­nimmst: Behal­te einen Fokus, dei­ne Exper­ti­se im Blick. Wo lie­ferst du ande­ren Men­schen eine Lösung? Was ist der Mehr­wert dei­ner Arbeit in der Zusam­men­ar­beit mit dei­nen Kun­din­nen und Kun­den?

Mach dir dabei immer wie­der bewusst, dass du im Kauf­ver­trag einen Wer­te­tausch fest­hältst. Beach­te dabei auch: Für dich muss die­ser Tausch eben­falls einen Wert erbrin­gen. Denn mit einem Dan­ke­schön wirst du am Ende des Monats dei­ne Mie­te nicht bezah­len kön­nen. Han­del nach dem Anspruch auf gleich­wer­ti­gen Tausch – ver­kau­fe dich nicht unter dei­nem Wert.

Dei­nen eige­nen Markt­wert erfährst du, sobald du anfängst, mit Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen über Geld zu spre­chen und dich auch über Bran­chen hin­weg zu Hono­ra­ren aus­tauschst.

Kern­ar­beits­zeit. Aber wie­so meint plötz­lich dein pri­va­tes Umfeld, dass du durch die Selbst­stän­dig­keit „all­zeit­ver­füg­bar“ und „stän­dig erreich­bar“ gewor­den bist – nur weil du dei­ne Che­fin nicht mehr hast? Da möch­te jemand mor­gens zum Arzt gefah­ren wer­den, einen aus­gie­bi­gen Plausch hal­ten oder mit­tags Hil­fe beim Strei­chen der Woh­nung bekom­men. Damit muss wäh­rend dei­ner Arbeits­zeit Schluss sein! Denn sei dir bewusst: Es ist jedes Mal dei­ne Unter­neh­mung, die unge­fragt zurück­ste­cken muss.

Ermög­li­che dei­ner „inne­ren Fach­kraft“, auch neben allen beruf­li­chen Ter­mi­nen und Ver­pflich­tun­gen, genü­gend Raum, um kon­zen­triert arbei­ten zu kön­nen. Ermög­li­che dir dis­zi­pli­niert Zeit­fens­ter in denen kei­ne Stö­run­gen erlaubt sind, Zeit­fens­ter für den „Deep-Work-Modus“. Lass in die­ser Zeit den „Lärm­pe­gel“ aus dem Innen und dem Außen nicht zu dir durch­drin­gen. Selbst E‑Mails von Kun­din­nen und Kun­den oder Rück­ru­fe kön­nen in dem Fall einen Moment war­ten.

Selbst­für­sor­ge. Sor­ge gut für dich, denn du bist dei­ne wich­tigs­te Mit­ar­bei­te­rin. Gehe dazu regel­mä­ßig zurück in dei­ne Kom­fort­zo­ne! Mache ordent­li­che Pau­sen, neh­me dir Aus­zei­ten, feie­re den Fei­er­abend und das Wochen­en­de und betrei­be Selbst­für­sor­ge. Ach­te auf dei­ne Gesund­heit, der phy­si­schen und der psy­chi­schen.

Schaue, dass du dir einen guten Coach zur Sei­te stellst und im Not­fall, wenn es dir schlecht geht, zöge­re nicht, ärzt­li­che oder the­ra­peu­ti­sche Hil­fe zu suchen. Nur so wirst du auf Dau­er nach­hal­tig, kon­zen­triert und mit Voll­gas arbei­ten kön­nen. Mer­ke: Solan­ge du noch kei­ne Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter hast, bist du das Herz­stück dei­nes Unter­neh­mens.

Expe­ri­men­tie­re. Pro­bie­re dich immer wie­der mit klei­nen oder gro­ßen Pro­jek­ten aus. Suche nach span­nen­den Her­aus­for­de­run­gen und dann: expe­ri­men­tie­re, expe­ri­men­tie­re, expe­ri­men­tie­re! Arbei­te ite­ra­tiv nach dem Kreis­lauf­prin­zip: Build – Mea­su­re – Learn. Und höre dabei dei­ner Umwelt sehr gut zu. Betrach­te vor allem das Feed­back und die Lear­nings am Ende jedes „Loops“ als wert­voll. Sie sind die Vor­aus­set­zun­gen dafür, dass du und dei­ne Unter­neh­mung wach­sen könnt.

Hast du die Her­aus­for­de­run­gen mehr­mals gemeis­tert und erfolg­rei­che, nach­hal­ti­ge Pro­blem­lö­sun­gen gefun­den, wirst du nach neu­en Her­aus­for­de­run­gen, guten Ideen, klu­ge Gedan­ken „süch­tig“ wer­den, das ver­spre­che ich dir. Du wirst Wachs­tum, Dyna­mik und die Gestal­tung von Ver­än­de­rung lie­ben.

Bei dei­nen Expe­ri­men­ten grei­fe auf dein Netz­werk zurück. Wo gibt es dort die Mög­lich­keit, wo kannst du neue Din­ge aus­pro­bie­ren? Fang bes­ser heu­te damit an, als mor­gen. So ent­wi­ckelst du dein Busi­ness kon­se­quent und fin­dest dei­nen Unter­neh­mens­fo­kus und dei­ne Posi­tio­nie­rung.

Selbst­si­cher­heit durchs Tun. Es gibt eini­ge Rol­len in dei­ner Unter­neh­mung, in die du noch hin­ein­wach­sen musst. Selbst­si­cher­heit in die­sen Rol­len erwirbst du aus­schließ­lich durchs Tun. Das heißt, es geht nicht ohne die Schrit­te raus aus der Kom­fort­zo­ne! Nur so erfährst du dei­ne Selbst­wirk­sam­keit und nur so wach­sen Selbst­si­cher­heit und Selbst­ver­trau­en.

Das Schö­ne: Die Erfol­ge wer­den sich deut­lich grö­ßer anfüh­len als die Risi­ken, die du dir vor­her aus­ge­malt hast. Und je öfter du in die­sen Situa­tio­nen bestehst, des­to leich­ter wer­den sie dir in Zukunft fal­len. Ach­te jedoch bei jedem Schritt auf dein eige­nes Tem­po, über­stür­ze nichts. Der Auf­bau eines gesun­den Unter­neh­mens braucht Zeit, man liest häu­fig von min­des­tens drei Jah­ren. Nimm die­se Zahl als Richt­wert. Gib dir und dei­nem Vor­ha­ben Zeit.

Stim­men. Zu dei­nem Vor­ha­ben, dei­ner Grün­dung wirst du vie­le Stim­men aus dei­nem Inne­ren und der Außen­welt hören. Und auch spä­ter, wirst du unge­fragt jede Men­ge Rat­schlä­ge erhal­ten. Eini­ge Stim­men mei­ne es gut mit dir, ande­re weni­ger.

Ver­su­che hin­ter den lau­ten Stim­men die Moti­ve zu erkun­den: Sind sie an dei­nem Vor­wärts­kom­men inter­es­siert und hilf­reich? Oder sor­gen sie für Ver­un­si­che­rung? Wäh­le bedacht, wem du Gehör schenkst. Stim­men aus dei­ner Umwelt, die Neid zum Motiv haben, begeg­ne mit Vor­sicht. Auch Stim­men der Für­sor­ge, die dich „vor Fehl­trit­ten“ oder „Miss­erfol­gen“ bewah­ren, die Zwei­fel säen und dich schüt­zen wol­len, erlau­be nicht immer „Zutritt“. Denn wel­cher Unter­neh­me­rin hilft dau­er­haft die Kom­fort­zo­ne?

Höre viel­mehr auf dei­ne eige­nen Stim­men, ver­su­che ihnen zu ver­trau­en und ihnen in dei­nem inne­ren Dia­log ordent­lich Gewicht und Platz zu schen­ken. Und im Umfeld suche dir Stim­men, die dich in dei­nem Vor­ha­ben empowe­ren, unter­stüt­zen und wei­ter­brin­gen. Gesel­le dich regel­mä­ßig unter ande­re Unter­neh­me­rin­nen und Unter­neh­mer – unter Gleich­ge­sinn­te, die Höhen und Tie­fen mit dir tei­len.

Sicht­bar­keit. Wenn du mit dei­ner Arbeit etwas im Außen gestal­ten möch­test, dann wage es, sicht­bar zu wer­den. Ich weiß, dass du dich und dei­ne Unter­neh­mung damit auch ver­letz­lich machst. Daher blei­be umsich­tig und bedacht. Aber mer­ke: Unter­neh­mung geht nicht ohne sicht­bar sein!

Tei­le dei­ne Arbeit daher regel­mä­ßig mit der Außen­welt. Lass poten­ti­el­le Kun­din­nen und Kun­den erfah­ren, dass es dei­ne Unter­neh­mung gibt. Viel­leicht wirst du dabei schnell fest­stel­len: Wenn du das, was du tust, rich­tig liebst, freust du dich ande­ren Men­schen davon berich­ten zu dür­fen. Und wie sonst, außer durch den Dia­log, wirst du erkun­den, wel­che Wir­kung dei­ne Arbeit, dei­ne Ideen und Ent­wick­lun­gen haben?

Hap­py Bir­th­day, lie­bes Büro! So schön, dass du gegrün­det bist. Was war das für eine gemein­sa­me stei­le Lern­kur­ve in den letz­ten Jah­ren? Hof­fent­lich wer­den noch vie­le, wei­te­re gute, gesun­de und span­nen­de Jah­re fol­gen.

Dan­ke für alles,
Dei­ne Nadi­ne