Anleitung zu unglücklichen Mitarbeitenden
Für Chefinnen und Chefs, die ihre Aufgabe richtig, richtig gut machen wollen
Eigentlich bin ich Fan davon, Lösungen anzubieten und nicht den Status Quo zu zelebrieren. Manchmal läuft man damit aber gegen Wände. Da hilft dann nur den Spiegel vorhalten.
Text & Bild | Nadine Thomas
Für Chefinnen und Chefs, die ihre Aufgabe richtig, richtig gut machen wollen. Die Anleitung nicht zu befolgen, ist der erste Schritt.
Du bist der Beste
Du bist der Beste, das müssen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen. Als Kopf der Organisation oder im Lead für das Team, weißt du natürlich alles besser. Ermögliche deinen Mitarbeitenden kein Kompetenzerleben. Sollten sie einmal gute Leistung erbringen, erkenne sie als solche nicht an. Gute Leistung, die kommt nur von dir! Schaue, dass sie dir nicht über den Kopf wachsen, das könnte dir gefährlich werden und viel wichtiger: Dafür werden sie schließlich nicht bezahlt.
Um dich herum nur Idiotinnen und Idioten
Behalte den Überblick, denn niemand weiß so gut Bescheid, wie du. Lass das deine Mitarbeitende jederzeit spüren. Sie nach ihrer Perspektive, Expertise und um Rat fragen? Überflüssig. Was können sie dir schon Neues sagen? Was könnten sie Wertvolles mit einbringen? Vergeude deine Zeit nicht mit Idiotinnen und Idioten. Treffe deine Entscheidungen immer alleine. Immer. Nur so kannst du zu richtig guten Entscheidungen kommen. Falls du trotzdem mal eine Idee von deinen Mitarbeitenden klaust, verpacke sie als deine eigene und lass die Quelle deiner Inspiration besser niemanden wissen.
Sei hart und standhaft und dir selbst treu
Du bist die geborene Führungskraft. Keine Frage! Weiterbildungen oder einen Blick über den Tellerrand? Das brauchst du nicht. Bleibe standhaft und dir selbst treu. Das ist in diesen komplexen Zeiten, in denen alles im Wandel und Umbruch ist, das Beste. Wirklich.
Investitionen ins Team? Überflüssig
Kompetenzen lassen sich nicht entwickeln, Know-How nicht erlernen und Menschen sich nicht verändern. In ihre Entwicklung Geld zu investieren, ist sinnlos. Vielmehr hilft es, sich über schlechte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu beschweren. Permanent! Das ist die wirkungsvollste Methode. Sie macht am Ende den echten Unterschied.
Behalte die Kontrolle und konzentriere dich auf die Fehler – der Anderen
Nutze Mikromanagement als deine Waffe. Kümmere dich um Details, selbst um die, die nicht zu deinem Aufgabenbereich gehören. Du musst die Kontrolle behalten. Mache dir selbst Rechtschreibfehler in den E‑Mails deiner Mitarbeitenden zum Feind. Das fördert die Unsicherheit deiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und diese ist wichtig. Selbstständige Mitarbeitende sind schwer zu händeln. Sie kosten Zeit, Energie und Nerven. Außerdem: Wo kämen wir hin, wenn alle schreiben, wie sie wollen?
Wutausbrüche helfen dir weiter
Starke Emotionen gehören zu einem guten Führungsinstrument dazu. Regelmäßige Wutausbrüche reinigen die Luft und zeigen, wer die Chefin im Haus ist. Das Feedback, das du deinem Team auf diese Art und Weise gibst, wird gut erinnert und verarbeitet, das zeigt die Neuowissenschaft. Es fördert auf lange Sicht die Beziehungen und die Zusammenarbeit. Und was wäre die Alternative? Überlegt und souverän handeln? Das kostet Selbstreflexion und damit wertvolle Zeit. Die ist an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt. Deine Emotionen muss das Team aushalten können.
Heute so, morgen anders
Die Wirkung einer klaren Struktur und eines verlässlichen Fahrplans wird falsch eingeschätzt. Wichtig ist, dass du ständig im Fluss bist. Ziele und Pläne, die du gestern noch verkündet hast, sind heute überholt und überflüssig. Dein Team muss es schaffen, mitzugehen und die unentwegten Kurswechsel kurzfristig möglich machen. Alles andere setzt Weitsicht und Planung voraus. Diese Zeit hast du nicht. Die Kraftakte, die die Kurswechsel bis in den Maschinenraum verursachen, sollten ein gutes Team verkraften. Wenn deinem Team der schnelle Perspektivwechsel und die Anpassungen nicht gelingt, dann sind es wirklich die falschen Mitarbeitenden.
Kommunikation ist Zeitverschwendung
Das Ausrufezeichen ist dein wichtigstes Satzzeichen. Keine oder wenige, kurze Sätze gehören zu deinen Lieblingen. Fragen stellen und Zuhören wird überbewertet. Weiter so! Was würdest du Wichtiges erfahren? Eben. Wichtig für deine Mitarbeitenden ist zu wissen, wie du die Sache siehst und was du von ihnen willst. Mehr Informationen braucht es nicht. Was kann dir der Einblick in die Innenwelt Klaus oder Charlotte schon weiterhelfen? Und Beziehungserleben ist sowieso unnötig.
Schaffe Meetings ab, wenn sie nicht gut laufen und unproduktiv sind. Deine Mitarbeitenden hätten sich vorbereiten, die Fragen vorab klären, sich während des Treffens auf das Wesentliche konzentrieren und die nächsten Schritte bereits angehen können. Sie sind schuld daran, wenn die Sache nicht läuft, da kannst du beruhigt jede Verantwortung von dir weisen.
Feedback
Überflüssig.
Bleibe in deiner Rolle diffus
Rollenklarheit? Bleibe besser im Nebel, was deine Funktionen und Aufgaben betrifft. Mit Klarheit gehen Erwartungen einher und werden Anforderungen gestellt. Das macht dich angreifbar – Unsicherheit auf deiner Seite hilft dir nicht.
Setze alles auf Performance
Das aller, aller Wichtigste für dich als Führungskraft sind die Performance deiner Firma und ihre Außenwirkung. Daher lege deinen Fokus ausschließlich auf die Leistung. Wenn dir deine Mitarbeitenden davonlaufen, ist das verkraftbar – Kundinnen und Kunden hingegen nicht. Da du eine geniale Chefin bist, wirst du es leicht haben, neue Mitarbeitende zu finden. Es spricht sich schließlich rum, dass du die Beste bist!
Lass für dein gutes Leben arbeiten
Menschen brauchen einen Sinn im Leben, auch deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie tun ihre Arbeitskraft mit Sicherheit gerne in dein gutes Leben investieren. Das macht kein Dankeschön notwendig. Faire Löhne? Erst recht nicht. Sollen sie erst einmal Leistung erbringen, das ist in deiner Firma doch wunderbar möglich.
Vertrauen ist wichtig, aber
Fordere Verlässlichkeit. Wenn du darauf vertrauen kannst, dass Worten auch Taten folgen, gibt dir das die notwendige Sicherheit, die du für deine herausragende Arbeit brauchst. Sonst müsstest du jede Toilettenpause kontrollieren, das ist nervig. Da du der Chef in deiner Agentur bist, gilt diese Regel des guten Miteinanders für dich nicht. Du kannst die Erwartungen deiner Mitarbeitenden wiederholt enttäuschen, das stört die nicht.
Du hast den Plan
Mit der Überlegung, welche Dinge du aus der Hand gibst, musst du vorsichtig sein. Autonomie- und Wirksamkeitserleben deiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bringt dir nur Ärger. Pass auf, sonst tanzen sie dir auf der Nase! Und klar ist doch: Nur du hast alle relevanten Informationen und triffst die besten Entscheidungen.
Weiter so und nicht anders.
Inspirationsquelle: Paul Watzlawicks herrliches Büchlein „Anleitung zum Unglücklichsein“